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Attrition

Unter Attrition versteht man den Zahnsubstanzverlust durch direkten Zahn-zu-Zahn-Kontakt. Es handelt sich dabei um eine Form des Zahnhartsubstanzverschleißes, bei der die Kauflächen und Schneidekanten durch Reiben, Pressen und Knirschen allmählich abgetragen werden. Ein gewisser Verschleiß ist im Laufe des Lebens normal, insbesondere an den Milchzähnen und später auch an bleibenden Zähnen. Wird der Abrieb jedoch beschleunigt oder führt er zu Beschwerden, funktionellen Beeinträchtigungen oder ästhetischen Problemen, spricht man von pathologischer Attrition, die behandlungsbedürftig sein kann.

Abgrenzung zu anderen Formen des Zahnverschleißes

Zahnverschleiß ist ein Sammelbegriff, der neben Attrition weitere Mechanismen umfasst. Abrasion bezeichnet den Verlust von Zahnhartsubstanz durch mechanische Einwirkung von Fremdkörpern, zum Beispiel durch zu starkes Zähneputzen mit harter Bürste oder durch Gewohnheiten wie Stiftkauen. Erosion beschreibt den Substanzverlust durch Säuren, etwa aus der Nahrung, durch häufige saure Getränke oder durch aufsteigende Magensäure bei Reflux. Abfraktion bezeichnet keilförmige Defekte am Zahnhals, die vermutlich durch Spannungen und Biegekräfte im Zahnhalsbereich entstehen. Im Gegensatz dazu zeigt die Attrition meist flache, glänzende Abnutzungsfacetten, die aufeinander abgestimmt sind, das heißt die verschliffenen Bereiche passen an Ober- und Unterkiefer zueinander.

Ursachen und Risikofaktoren

Hauptursache der Attrition ist die Parafunktion des Kausystems, vor allem das Zähneknirschen und Pressen, medizinisch Bruxismus. Man unterscheidet Schlafbruxismus, der unbewusst in der Nacht stattfindet, und Wachbruxismus, bei dem tagsüber in Konzentrationsphasen oder unter Stress mit den Zähnen gepresst wird. Psychosoziale Faktoren wie Stress, Angst oder Anspannung können das Pressen verstärken. Auch Schlafstörungen, Alkohol, Nikotin und hoher Koffeinkonsum werden als Risikofaktoren diskutiert. Einige Medikamente, insbesondere bestimmte Antidepressiva, können Bruxismus begünstigen. Fehlkontakte der Zähne, ungünstige Bissverhältnisse oder hoch belastende Zahnformen können den Verschleiß zusätzlich fördern, sind jedoch selten alleinige Ursache. Im Kindesalter tritt Attrition an Milchzähnen oft als normaler, physiologischer Abrieb auf und verlangsamt sich mit dem Durchbruch der bleibenden Zähne. Bei Erwachsenen kann Zähneknirschen über viele Jahre zu einem deutlich sichtbaren Substanzverlust führen.

Typische Zeichen und Symptome

Zu den auffälligen Merkmalen der Attrition gehören flacher werdende Kauflächen, polierte Abnutzungsfacetten, verkürzte Schneidekanten und das Verschwinden der natürlichen Höckerreliefs. Häufig zeigen die gegenüberliegenden Zähne spiegelbildliche Abriebspuren. Mit fortschreitendem Verschleiß können Dentinflächen freiliegen, was zu Kälte- oder Druckempfindlichkeit führt. Zähne können kleiner wirken, die Frontzähne erscheinen abgeflacht und die Schneidekante kann unregelmäßig werden. Bei ausgeprägter Attrition kann die Bisshöhe sinken, was sich im Gesicht durch eine leicht verminderte untere Gesichtshöhe bemerkbar machen kann. Begleitend treten bei vielen Betroffenen Verspannungen der Kaumuskulatur, morgendliche Kieferschmerzen, Kopfschmerzen im Schläfenbereich oder Beschwerden im Kiefergelenk auf, wie Knacken, Reiben oder eingeschränkte Mundöffnung. Nicht immer verursachen abgenutzte Zähne Schmerzen, sie sind jedoch anfälliger für Risse und Frakturen.

Diagnose und Befunderhebung

Die Diagnose erfolgt durch eine zahnärztliche Anamnese und eine klinische Untersuchung. Wichtige Hinweise liefern Fragen zu Zähneknirschen, Stress, Schlafqualität, morgendlichem Muskelkater im Kiefer und eventuellen Kopfschmerzen. Klinisch werden Form, Lage und Ausmaß der Abriebfacetten beurteilt, die Sensibilität der Zähne getestet und die Bissverhältnisse in statischer und dynamischer Okklusion analysiert. Fotos, intraorale Scans oder Abformungen mit Studienmodellen ermöglichen die Verlaufskontrolle. Röntgenaufnahmen können helfen, Risse, Füllungsränder und die Nähe der Abnutzung zur Pulpa (Zahnnerv) zu beurteilen. Zur Quantifizierung des Verschleißes werden in der Praxis teils standardisierte Indizes genutzt, etwa der Tooth Wear Index, die Smith-Knight-Skala oder, wenn chemische Einflüsse im Vordergrund stehen, die Basic Erosive Wear Examination. Da verschiedene Verschleißmechanismen oft gemeinsam auftreten, achtet die Zahnärztin oder der Zahnarzt auf Mischbilder und differenziert Attrition von Abrasion und Erosion.

Folgen und mögliche Komplikationen

Unbehandelt kann Attrition zu ausgeprägter Empfindlichkeit, Rissen, Randundichtigkeiten an Füllungen, abgeplatzten Rändern, Substanzschwächung und schließlich zu Zahnfrakturen führen. Bei starkem Substanzverlust kann die Pulpa gereizt werden, was Schmerzen bis hin zu einer Pulpitis nach sich ziehen kann. Funktionell kann die Kaueffizienz sinken, die Sprache beeinträchtigt werden und bei Absenkung der Bisshöhe können Muskel- und Gelenkprobleme des Kausystems zunehmen. Ästhetisch stören viele Betroffene abgeflachte Frontzähne und kürzer wirkende Zahnreihen, was sich auf das Lächeln auswirkt.

Behandlung: Ziele und Maßnahmen

Die Therapie der Attrition verfolgt zwei Hauptziele: das Fortschreiten des Verschleißes stoppen und die Form, Funktion sowie Ästhetik der Zähne wiederherstellen. Grundlage ist eine individuelle Behandlungsplanung, die die Ursache adressiert und gleichzeitig den aktuellen Zustand sichert.

Zur Schienentherapie wird häufig eine individuell gefertigte Aufbissschiene eingesetzt, beispielsweise eine Michigan-Schiene oder eine äquivalente Oberkiefer- oder Unterkieferschiene aus hartem Kunststoff. Sie schützt die Zähne vor weiterem Abrieb, verteilt Kräfte günstiger und kann muskuläre Aktivität reduzieren. Gerade bei Schlafbruxismus ist die konsequente nächtliche Schienennutzung ein zentraler Baustein. Beim Wachbruxismus helfen Verhaltensstrategien, etwa das bewusste Entlasten der Zahnkontakte mit geschlossenem Mund, aber entspannten Lippen und Zunge, sowie Erinnerungsanker am Arbeitsplatz.

Für die Wiederherstellung der Zahnform kommen je nach Ausmaß minimalinvasive Kompositaufbauten, adhäsive Onlays, Teilkronen oder Vollkronen in Frage. Häufig wird stufenweise vorgegangen: Zunächst werden provisorische Aufbauten oder Langzeitprovisorien eingesetzt, um Bisshöhe und Funktion zu testen. Dieses Vorgehen ist besonders dann wichtig, wenn die vertikale Dimension des Bisses angehoben werden muss, um ausreichend Platz für neue Zahnschichten zu schaffen. Konzepte wie das Dahl-Prinzip nutzen gezielte Aufbauten an ausgewählten Zähnen, damit sich die restlichen Zähne durch natürliche Zahnbewegungen an den neuen Biss anpassen. Erst wenn Komfort, Belastbarkeit, Aussprache und Ästhetik passen, erfolgen definitive Restaurationen aus Komposit, Keramik oder einer Kombination, abhängig von Belastung, Ästhetik und Restzahnhartsubstanz.

Begleitend können desensibilisierende Maßnahmen helfen, etwa hochdosierte Fluoridgele, Lacke oder spezielle Zahnpasten mit Kaliumnitrat oder Zinnfluorid zur Reduktion von Kälteempfindlichkeit. Sind Kiefergelenk oder Muskulatur stark betroffen, kann eine Physiotherapie mit manueller Therapie, Dehn- und Entspannungsübungen sinnvoll sein. Bei ausgeprägtem nächtlichem Knirschen, das mit Schnarchen, Atempausen oder starker Tagesschläfrigkeit einhergeht, kann eine Abklärung auf obstruktive Schlafapnoe beim Schlafmediziner angezeigt sein, da diese Störung Bruxismus verstärken kann. Stressmanagement, Entspannungstechniken und gegebenenfalls psychologische Unterstützung tragen bei vielen Betroffenen zur Reduktion von Press- und Knirschphasen bei. Medikamentöse Maßnahmen gegen Bruxismus werden zurückhaltend eingesetzt und individuell abgewogen.

Alltagstipps und Prävention

Zur Vorbeugung eines Fortschreitens der Attrition ist das konsequente Tragen der individuell angepassten Schiene entscheidend. Im Alltag hilft es, harte oder sehr zähe Nahrungsmittel maßvoll zu konsumieren und mit den Frontzähnen keine sehr harten Dinge abzubeißen. Parafunktionen wie Stiftkauen, Nagelkauen oder das Halten von Gegenständen zwischen den Zähnen sollten bewusst vermieden werden. Eine schonende Putztechnik mit einer weichen bis mittel-harten Zahnbürste und einer eher wenig abrasiven Zahnpasta schützt zusätzlich die Oberflächen. Auch wenn Attrition nicht primär durch Säuren verursacht wird, ist es sinnvoll, nach säurehaltigen Speisen oder Getränken mit dem Zähneputzen etwa 30 Minuten zu warten, um das erweichte Schmelzoberflächenrelief zu schonen. Ausreichende Fluoridzufuhr stärkt den Schmelz. Regelmäßige zahnärztliche Kontrollen ermöglichen frühes Erkennen von Veränderungen, Nachpolitur rauer Stellen und rechtzeitige Anpassung der Therapie.

Besonderheiten bei Kindern und älteren Menschen

Bei Kindern mit Milchgebiss ist eine gewisse Attrition normal und meist harmlos. Wenn jedoch Schmerzen, sehr schneller Abrieb oder Begleitbeschwerden auftreten, sollte die Situation abgeklärt werden. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist auf Hinweise für Bruxismus, Fehlkontakte oder Stressfaktoren zu achten. Im höheren Alter sind Mischbilder mit Attrition, Abrasion und Erosion häufig, weshalb eine sorgfältige Differenzialdiagnose wichtig ist. Prothetische Versorgungen wie Kronen und Brücken erfordern gegebenenfalls eine angepasste Schutzschiene, um neue Schäden zu vermeiden.

Wann zum Zahnarzt

Eine Kontrolle ist ratsam, wenn Zähne deutlich flacher werden, Kälteempfindlichkeit zunimmt, Schneidekanten ausfransen, Kauflächen spiegelnde, glatte Facetten zeigen oder morgens Kiefer- und Kopfschmerzen auftreten. Dringlich ist eine Vorstellung bei plötzlichen Schmerzen, sichtbaren Rissen, abgebrochenen Zahnteilen, Anzeichen einer Pulpitis wie länger anhaltendem Kälte- oder Wärmeschmerz, bei Kiefergelenkblockaden oder wenn eine Schiene beschädigt ist. Auch bei subjektivem Gefühl eines abgesunkenen Bisses oder ästhetischer Beeinträchtigung sollte eine Beratung erfolgen.

Prognose und Ausblick

Mit konsequenter Ursachenbehandlung, Schienentherapie und gegebenenfalls restaurativen Maßnahmen lässt sich die Attrition gut kontrollieren. Ziel ist es, den weiteren Verschleiß zu stoppen, Empfindlichkeiten zu verringern und eine stabile Funktion mit angenehmem Bissgefühl und zufriedenstellender Ästhetik zu erreichen. Moderne adhäsive Techniken erlauben häufig substanzschonende Rekonstruktionen. Entscheidend für den Langzeiterfolg sind regelmäßige Nachsorge, die Anpassung der Schiene und das frühzeitige Erkennen von Veränderungen. Wer eigene Stressbewältigungsstrategien etabliert, Auslöser reduziert und die individuelle Schutzschiene nutzt, hat sehr gute Chancen, Zähne und Restaurationen langfristig zu erhalten.

Kostenhinweis

Der Aufwand der Behandlung hängt vom Ausmaß des Verschleißes, der Notwendigkeit einer Schienentherapie, der Art der Rekonstruktionen und der Zahl der betroffenen Zähne ab. Die behandelnde Praxis kann nach Untersuchung und Befund eine individuelle Aufklärung zu Umfang und voraussichtlichen Kosten geben.

 

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